TELLEN

Marcela Szymanski, Chefredakteurin, Religionsfreiheit weltweit 2021

 

Definitionen

Zur Entwicklung der in unserem Bericht verwendeten Definitionen und Parameter haben wir die folgenden Quellen untersucht und genutzt:

• Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Webseiten)

• UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit

• Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und das Büro der OSZE für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) (Internetquellen unter http://hatecrime.osce.org/what-hate-crime) http://hatecrime.osce.org/what-hate-crime)

• Dr. Mattia F. Ferrero, der Nationale Ansprechpartner des Heiligen Stuhls bzgl. hassmotivierter Kriminalität bei OSZE/ODIHR

• Dr. Heiner Bielefeldt, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit (Webseiten und persönliche Befragung)

• Prof. Massimo Introvigne, Gründer von BitterWinter.org und dem Zentrum für Studien über neue Religionen (Webseiten und persönliche Befragung)

• Leitlinien der EU zur Förderung und zum Schutz der Religions- und Glaubensfreiheit (Gespräche mit den verantwortlichen Mitarbeitern und Politikern)

• UNO-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (1948)

• Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians/Dokumentationsarchiv der Intoleranz gegen Christen (Webseiten und Gespräche mit und Ellen Fantini)

• Dr. Gregor Puppinck, Gespräche über den philosophischen Hintergrund der Religionsfreiheit, die Aufgaben von Regierungen und Grenzen der Freiheit

 

Des Weiteren haben wir Berichte der folgenden Organisationen (besonders ihrer Abteilungen für Methodik) berücksichtigt:

• OSZE/ODIHR

• US Department of State (US-Außenministerium)

• US Commission for International Religious Freedom, USCIRF (US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit)

• Pew Research Center

•  Open Doors/Worldwatch List

• Berichte der fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe im Europäischen Parlament zu Religions- und Glaubensfreiheit und religiöser Toleranz

• Die Bibliothek von „Human Rights Without Frontiers“ (www.hrwf.org )

• Die Bibliothek von „Forum 18” (www.forum18.org)

 

Texte von Experten, u.a.:

•  John Newton’s “Religious Freedom in Modern Societies”

•  Jose Luis Bazán’s “Discurso del odio, corrección política y libertad de expresión”

•  Marcela Szymanski’s “Which Religious Freedom we defend today?”

 

a) Religions- und Glaubensfreiheit

Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:: „Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seinen Glauben zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seinen Glauben allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen”. (Quelle: http://www.un.org/en/universal-declaration-human-rights/) http://www.un.org/en/universal-declaration-human-rights/)

Die Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Glaubensfreiheit ist in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verankert, der im Lichte der Allgemeinen Bemerkung Nr. 22 des UN-Menschenrechtsausschusses gelesen werden sollte.

Unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten hat die Religions- und Glaubensfreiheit drei Komponenten::

a) die Freiheit, eine Religion oder einen Glauben seiner Wahl zu haben bzw. anzunehmen – oder aber überhaupt keinen Glauben zu haben/anzunehmen;

b) die Freiheit, seine Religion zu ändern,

(c) die Freiheit, seine Religion oder seinen Glauben allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.

Die Religions- und Glaubensfreiheit wird ebenfalls durch Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 10 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt.(Quelle: Absatz 10 der EU-Leitlinien zur Förderung und zum Schutz der Religions- und Glaubensfreiheit)

 

b) Grenzen der Religionsfreiheit

Gemäß den Informationen auf den Webseiten des UN-Sonderberichterstatters für Religions- und Glaubensfreiheit (http://www.ohchr.org/EN/Issues/FreedomReligion/Pages/Standards.aspx) werden die Grenzen dieser Grundfreiheit bestimmt durch:

• die grundlegenden Menschenrechte anderer, wie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) dargelegt;

• öffentliches Interesse; nachweisliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Gesundheit.

 

Darüber hinaus wird in der Resolution 2005/40 (Absatz 12) der Menschenrechtskommission und in der Resolution 6/37 (Absatz 14) des Menschenrechtsrats erklärt, dass eine Beschränkung der Religions- und Glaubensfreiheit nach internationalen Menschenrechtsgesetzen zulässig ist, wenn sämtliche der folgenden Kriterien erfüllt sind:

a) die Einschränkung ist durch das Gesetz vorgeschrieben;

b) die Einschränkung dient dem Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit oder Moral oder dem Schutz der grundlegenden Rechte und Freiheiten anderer;

c) die Einschränkung ist für die Erreichung eines dieser Zeile notwendig und verhältnismäßig; und

d) die Einschränkung dient nicht dem Zweck der Diskriminierung und wird nicht auf diskriminierende Weise angewandt.

Ach wenn es selbstverständlich erscheinen mag, halten wir es für wichtig zu erwähnen, dass die Religions- und Glaubensfreiheit neben den sich aus Artikel 3 der AEMR ergebenden Rechten existiert: Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.

 

Das Recht auf Religionsfreiheit ist insofern kein „absolutes Recht“, denn es hat Grenzen; es bleibt jedoch ein „nicht abdingbares Recht“, dass auch im Ausnahmezustand nicht ausgesetzt werden kann.

 

2.Bestimmung, Ob Ein Vorkommnis Eine Verletzung Der Religions- Und Glaubensfreiheit Darstellt

Für die Zwecke dieses Berichts ist das erste Kriterium, anhand dessen bestimmt wird, ob eine Verletzung der Religions- und Glaubensfreiheit vorliegt, die Frage nach dem Ergebnis einer Handlung und der Abgleich mit der Beschreibung des zugehörigen grundlegenden Rechts. Dabei ist zu bedenken, dass eine Verletzung der Rechte des Opfers oder der Opfer durch den Täter sowohl bewusst als auch unbewusst herbeigeführt worden sein kann. Meistens liegt klar auf der Hand, dass ein Recht des Opfers willentlich aufgrund der Religionszugehörigkeit entweder des Täters oder des Opfers verletzt wurde, aber mitunter geschieht dies auch unbeabsichtigt. Ein Beispiel dafür ist Beschneidungsverbot in Island. Es zielte darauf ab, die Genitalverstümmelung von Mädchen zu unterbinden, doch da der Gesetzestext von „Kindern“ sprach, um nicht gegen ein bestimmtes Geschlecht zu diskriminieren, wurde dadurch auch die traditionelle Beschneidung der Vorhaut von Jungen verboten, die eine bestimmte Glaubensgemeinschaft praktiziert. Hier wurde die Religionsfreiheit nicht vorsätzlich verletzt, sondern versehentlich. Eine vollständige Liste der Verletzungen der Religions- und Glaubensfreiheit nach den Kriterien der Vereinten Nationen im Zusammenhang mit anderen grundlegenden Rechten finden Sie, wenn Sie auf der folgenden Webseite nach unten scrollen: http://www.ohchr.org/ EN/Issues/FreedomReligion/Pages/Standards.aspx

 

3. Bestimmung, Welche Art Von Verletzung Der Religions- Und Glaubensfreiheit In Einem Land Vorliegt

Für die Zwecke dieses Berichts werden Verletzungen der Religions- und Glaubensfreiheit als Prozess betrachtet, der in vier Phasen verläuft. Im Folgenden sollen diese näher definiert und die Merkmale für den Übergang in die nächste Phase so gut wie möglich beschrieben werden. Es wird natürlich Ausnahmen hiervon geben; sollten Sie Fragen dazu haben, wenden Sie sich gern an die Redaktion. Am Ende dieses Dokuments finden Sie ein Raster, in dem Manifestationen der unterschiedlichen Typen von 14 | ACN - Aid to the Church in Need Rechtsverletzungen aufgeführt sind, beruhend auf den verschiedenen von uns zitierten Quellen. Dieses sind die vier Hauptarten von Verstößen gegen die Religionsfreiheit:

a) Intoleranz. 

b) Diskriminierung.

c) Verfolgung.

d) Genozid.

 

4. Einordnung

a) Toleranz/Intoleranz: Diese Phase umfasst das gesamte Spektrum von „keinerlei Probleme“ bis hin zu den verschiedenen Ausprägungen von „Intoleranz“, die in gewissem Maße in allen Ländern oder Kulturen auftritt. Problematisch wird dies erst, wenn die Intoleranz offen gezeigt und von den zuständigen Stellen nicht infrage gestellt wird. In diesem Fall setzt eine „Normalisierung“ ein, im Zuge derer sich die Intoleranz aufgrund der wiederholten und sanktionierten Darstellung bestimmter Bevölkerungsgruppen als gefährlich oder gesellschaftsschädigend verstärkt. Intoleranz zeigt sich hauptsächlich auf sozio-kultureller Ebene – in Vereinen, bei Sportveranstaltungen, in der Nachbarschaft, in der Presse, im politischen Diskurs oder in der Populärkultur, z.B. im Kino und Fernsehen. Häufig bricht bei politischen Demonstrationen oder Protestmärschen zu einem nicht verwandten Thema entweder spontan oder geplant gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder ihr Eigentum gerichtete Gewalt aus, der kein Einhalt geboten wird. Die Entscheidung der Behörden, gegen diese Formen der Intoleranz keine Maßnahmen zu ergreifen oder sie zu verurteilen, stellt ein stilles Einverständnis damit dar. Meinungsbildner aus allen Bereichen (Eltern, Lehrer, Journalisten, bekannte Sportler, Politiker etc.) können dabei zu Multiplikatoren von Botschaften der Intoleranz werden.

Allerdings haben die Betroffenen in dieser Phase noch die Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten. Die Intoleranz ist noch nicht in „Diskriminierung“ übergegangen.

Das Grundrecht auf Nicht-Diskriminierung greift weiterhin. Akte der Intoleranz fallen in der Regel nicht in den strafrechtlichen Rahmen. Gewalttaten, die durch gewisse Vorurteile motiviert sind, gelten jedoch als Hassverbrechen und fallen somit unter das Strafrecht. „Hassrede“ hingegen gilt nicht als Hassverbrechen, weil es sich hierbei nicht um Gewalttaten handelt und sie folglich nicht in allen Ländern strafrechtlich verfolgt wird.

Intoleranz ist die am schwierigsten zu bemessende Kategorie, da sie häufig eher als „gefühltes Klima“ verstanden wird. Trotzdem prägt Intoleranz ein Umfeld durch die Wiederholung negativer Aussagen, mit denen eine bestimmte Gruppe als Gefahr für den Status Quo dargestellt wird. Wenn überhaupt, werden diese Aussagen dann durch Einzelpersonen in Frage gestellt, die dabei häufig mit dem Finger auf nicht näher bestimmte Gebilde wie „die Medien“, „die einheimische Kultur“ oder auf bestimmte Politiker zeigen. Wenn die Betroffenen selbst die Akte der Intoleranz nicht zur Anzeige bringen oder die Behörden nicht entschlossen gegen Intoleranz vorgehen, ist der Boden für Schlimmeres bereitet.

b) Diskriminierung: Diese ist die Folge, wenn gegen Intoleranz nichts unternommen wird. Diskriminierung findet statt, sobald Gesetze oder Regelungen vorliegen, die nicht für alle, sondern nur für eine bestimmte Gruppe gelten. Ein deutliches Zeichen für Diskriminierung sind Gesetzesänderungen, durch die Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, Schicht oder Gemeinschaft unterschiedlich behandelt werden. Dabei wird zwischen direkter und indirekter Diskriminierung unterschieden. Direkte Diskriminierung liegt vor, wenn Handlungen sich ganz klar gegen ein Mitglied einer bestimmten Religionsgemeinschaft richten; indirekte Diskriminierung liegt zum Beispiel vor, wenn ein Unternehmen ausschließlich Mitarbeiter mit einer bestimmten Schulbildung einstellt, von der Anhänger einer bestimmten Religionsgemeinschaft jedoch ausgeschlossen sind. In solchen Fällen wird für gewöhnlich der Staat zum Täter, der die Religionsfreiheit verletzt. In den westlichen Ländern treten solche Verstöße auf, wenn die durch Artikel 18 geschützte Gewissensfreiheit eingeschränkt wird, zum Beispiel für bestimmte Berufsgruppen oder Bildungszweige. In dieser Phase tauchen auch Blasphemiegesetze auf, die eine Glaubensrichtung über alle anderen stellen und nicht den Einzelnen, sondern ein Kollektiv schützen. Innenpolitisch mag Diskriminierung zwar legal sein; sie fällt jedoch unter internationales Recht und ist gemäß der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen, gemäß UN-Konventionen und regionaler Konventionen (und Verpflichtungserklärungen der OSZE) weiterhin verboten. Die Betroffenen müssen sich daher, mangels nationaler Kanäle, an die internationale Gemeinschaft wenden, um Hilfe zu erhalten. Zu den Beispielen für Diskriminierung gehören der eingeschränkte Zugang zu Arbeitsplätzen (einschließlich öffentlicher Ämter); die Verweigerung von Hilfe im Notfall, wenn der Empfänger nicht einer bestimmten Glaubensrichtung angehört; mangelnder Zugang Religionsfreiheit Weltweit Bericht 2021 15 zur Justiz; Hinderung am Erwerb bzw. an der Instandsetzung von Eigentum; die Unmöglichkeit, in einer bestimmten Wohngegend zu leben oder religiöse Symbole in der Öffentlichkeit zu zeigen. So kam es im Jahr der Covid-19-Pandemie 2020 mitunter zu Schließungen von Tempeln, während Geschäfte weiterhin öffnen durften, und diese Schließungen schienen unverhältnismäßig oft und auf diskriminierende Weise bestimmte Religionsgemeinschaften zu betreffen.

c) Verfolgung: Diese Phase folgt üblicherweise auf die Phase der Diskriminierung. Hier kommt es auch zu „Hassverbrechen“. Verfolgungshandlungen und Hassverbrechen werden von voreingenommenen Tätern verübt, die die religiöse Identität des Opfers entweder kennen oder auch nicht. Verfolgungshandlungen und Hassverbrechen fallen unter das nationale und/oder das internationale Strafrecht. Für gewöhnlich bestehen Verfolgung und Diskriminierung nebeneinander, und das eine baut auf dem anderen auf. Allerdings kann es in einem Land auch zu Verfolgung kommen, beispielsweise durch eine lokale Terrororganisation, ohne dass dort eine staatlich begünstigte Diskriminierung vorherrscht. Verfolgung äußert sich durch aktive Maßnahmen und Kampagnen, die darauf abzielen, Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft auszulöschen, zu vertreiben oder zu unterjochen. Ein Beispiel dafür sind systematische Angriffe auf (ggfs. christliche) Bauern in Afrika durch (ggfs. muslimische) Hirten unter dem Vorwand, es ginge um die Auswirkungen des Klimawandels. Die Gewalthandlungen (die oft durch die öffentliche Debatte und die Geisteshaltung bestimmter Gruppen angeheizt werden) können dabei auch von einzelnen Personen verübt werden. Verfolgungshandlungen müssen weder „systematisch“ sein noch einer bestimmten Strategie folgen.

Sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Akteure können für die Verfolgung einer bestimmten Gemeinschaft verantwortlich sein, doch in dieser Phase haben die Betroffenen keine Möglichkeit mehr, sich auf den staatlichen Rechtsapparat zu berufen. Private Akteure, die Hassverbrechen gegen Mitglieder einer bestimmten Gruppe begehen, kommen wahrscheinlich ungestraft davon. Die Opfer sind Rechtsmissbrauch ausgesetzt; sie werden enteignet und manchmal sogar getötet. Verfolgung wird anhand von Berichten der Opfer, Medienberichten, Berichten von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen sowie von lokalen Verbänden identifiziert und gemessen, jedoch häufig durch anhaltende Gewalt erschwert; der Prozess kann Jahre dauern.

Häufig geht Verfolgung mit Gewalt einher; durch die Gewalt werden diese Taten zu Hassverbrechen. Mitglieder von Minderheiten sind unter anderem von Mord, Enteignung oder Zerstörung von Eigentum, Diebstahl, Deportation, Exil, Zwangskonvertierung, Zwangsheirat, Geographieübergreifende etc. bedroht. Derartige Taten sind dabei nach nationalem Recht „legal“. In extremen Fällen kann Verfolgung sich zum Völkermord entwickeln.

Die von uns verwendete Definition von „Hassverbrechen“ stammt vom ODIHR: „Hate Crimes (Hassverbrechen) sind kriminelle Handlungen mit einem Vorurteilsmotiv gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe. Um als Hassverbrechen zu gelten, muss ein Delikt zwei Kriterien erfüllen: Das erste Element eines Hassverbrechens ist das Verüben einer Tat, die nach gängigem Strafrecht als Delikt gilt; das zweite Element eines Hassverbrechens ist das Vorurteilsmotiv, aus dem die Straftat begangen wird.“ Für die Betrachtungsweise in diesem Bericht war dabei das Vorgehen (bzw. das ausbleibende Vorgehen) der Justiz gegen Hassverbrechen von großer Bedeutung.

In Ländern mit funktionierender Rechtsstaatlichkeit (wie in den meisten westlichen Demokratien) können Gerichte Verfolgungshandeln als Hassdelikte behandeln. In vielen anderen Ländern gibt es ebenso wenig Rechtsmittel gegen Intoleranz wie gegen bestimmte Hassverbrechen, und es kann vor Gericht schwer zu beweisen sein, dass Verfolgung vorliegt. Hassverbrechen mit einem eindeutig religiösen Vorurteilsmotiv können, ebenso wie Botschaften der Intoleranz oder der Tatbestand der Diskriminierung, einem schleichenden „Normalisierungsprozess“ unterliegen. Häufig werden diese Verbrechen von nicht-staatlichen, privaten Akteuren verübt. Im Gegensatz dazu fallen Intoleranz und Diskriminierung selten unter anwendbares Strafrecht und werden sowohl von öffentlichen Stellen als auch Einzelpersonen verübt.

d) Genozid: Beim Genozid handelt es sich um die ultimative Form der Verfolgung, bei der nur Instanzen des internationalen Völkerrechts einschreiten können. Laut der am 9. Dezember 1948 verabschiedeten UNO-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes handelt es sich dabei um „Taten, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische 16 | ACN - Aid to the Church in Need oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu vernichten“ ( http://www.ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/ CrimeOfGenocide.aspx). Man muss nicht ermordet werden, um als Opfer eines Genozids zu gelten; darunter fallen auch folgende Taten:

• das Töten von Angehörigen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe;

• das Zufügen von schweren körperlichen oder seelischen Schäden bei Angehörigen der Gruppe;

• die absichtliche Unterwerfung Betroffener unter Lebensbedingungen, die darauf ausgelegt sind, sie ganz oder teilweise physisch zu vernichten;

• die Anordnung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe;

• die zwangsweise Überführung von Kindern der betroffenen Gruppe in eine andere Gruppe.

Außerdem machen sich nach dem Text der Konvention nicht nur direkte Täter schuldig, sondern alle, die Taten planen, zur Durchführung anstiften oder unterstützend tätig werden. Nach der Verabschiedung einer Resolution durch das Europäische Parlament (4. Februar 2016), welche die Taten des sogenannten Islamischen Staats gegen Christen und Jesiden als Völkermord verurteilt, zogen viele Staaten nach, darunter die Vereinigten Staates von Amerika. Auch die UNO begann am 21. September 2017 durch die Schaffung eines Mechanismus, der den sogenannten Islamischen Staat zur Rechenschaft ziehen soll (Resolution 2379), einen Prozess zur Klärung, ob ein Genozid vorliegt. http://www.un.org/en/genocideprevention/genocide.html

 

5. Verantwortliche Akteure Für „intoleranz“, „diskriminierung“, „verfolgung“ Und „genozid“:

Heutzutage tätige Organisationen wie der sogenannte Islamische Staat und die verschiedenen Organisationen, die mit ihm in Verbindung stehen, Al-Qaida, Boko Haram oder die Drogen- und Menschenhandelskartelle fallen nicht mehr unter die tradierten Definitionen von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren. In Ländern oder Regionen, in denen der Staat nicht länger die Kontrolle ausübt (und in manchen Fällen selbst zum Opfer geworden ist) und in denen die geltenden „Gesetze‘“ der Gruppierung, die de facto die Macht inne hat, Menschenrechte verletzen, kann die fragliche Gruppierung nur noch von der internationalen Gemeinschaft zur Verantwortung gezogen werden. Wir unterscheiden die folgenden Tätergruppen:

We distinguish the following types of perpetrator:

a) Staat (auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene);

b) Lokale nicht-staatliche Akteure (einschließlich gewaltbereiter religiöser Führer, landraubender Banden, rassistisch orientierter religiöser Gruppen und örtlicher Ableger von Organisationen wie den Taliban in Pakistan und Afghanistan, Boko Haram in Nigeria etc.),

c) Multinationale kriminelle oder terroristische Organisationen (wie z.B. der sogenannte Islamische Staat, Al-Qaida, Al-Shabab, Boko Haram in Kamerun etc.)

 

6. Entwicklungstendenzen Im Untersuchten Zeitrahmen Und Ausblick Für Die Nächsten Zwei Jahre:

Nach unserer Erfahrung ist ein Zeitraum von zwei Jahren maßgeblich, um die Auswirkungen von Veränderungen beurteilen zu können, die durch staatliche Stellen eingeführt oder de facto durch nicht-staatliche Akteure geschaffen wurden. Wir haben dazu eine neue Kategorie eingeführt, die wir „Genaue Beobachtung erforderlich“ genannt haben. Diese Kategorie soll darauf hinweisen, dass sich ein Land – angetrieben durch verschiedene Akteure – auf die nächste Phase der Verletzung der Religions- und Glaubensfreiheit zubewegt. Die Einschätzung der Aussichten für die Religions- und Glaubensfreiheit beruht auf den im jeweiligen Länderbericht genannten Vorfällen und anderen vom Autor eingeholten Informationen.

 

7. Raster Als Hilfe Für Die Unterscheidung Zwischen „intoleranz“, „diskriminierung“, „verfolgung“ Und „genozid“

In jedem Fall muss der Zwischenfall klar religiös motiviert sein und darf nicht auf eine allgemein schlechte Sicherheitslage zurückzuführen sein must have a clear Religious Bias, and not be the effect of general insecurity

 

Category (indicative list, as these acts are the most frequent)
Intolerance  
  Threats
  Hate speech
  Intimidation
  Vandalism
 
Diskriminierung
  Official religion imposed
No conversion (consequence of official religion imposed)
Accusation of blasphemy possible
Prohibition to worship outside temples
No access to property (nor to repair or maintain)
No protection/security of property
No access to certain jobs
No access to public office
No access to funding
No access to certain type/level of education
No display of religious symbols
No right to appoint clergy
No observance of holidays
No evangelization, no materials available
No communication with other religious groups national and international
No right to own media
No right to establish and fund charitable and humanitarian institutions
No right to conscientious objections and “reasonable accommodation” at workplace and services provision
Verfolgung
Murder, mass or individual
Detention
Abduction, enslavement
Forced exile
Expropriation of buildings, assets, funds, even if “legal”
Occupation of property
Physical assault, mutilation, battery, maiming
Freedom of expression severely curtailed, harsh sentences/punishments
  Intimidation, threats
Property damage (also representative of the religious group, not only individual)
  Any other crime
Genocide
Killing members of the group
Causing serious bodily or mental harm
Deliberately inflicting on the group conditions of life calculated to bring about its physical destruction in whole or in part;
Imposing measures intended to prevent births within the group
Forcibly transferring children of the group to another group