FALLSTUDIE |NIGERIA: MASSENENTFÜHRUNG VON SCHULKINDERN
Am 11. Dezember 2020 überfielen Boko Haram-Kämpfer die weiterführende Jungenschule Government Science Secondary School in der Stadt Kankara und kidnappten mehr als 300 Schüler. Die Terrororganisation bekannte sich zu der Entführung und begründete sie mit ihrem Widerstand gegen westliche Bildung. Am 18. Dezember wurden die entführten Jungen vom nigerianischen Militär befreit. Nach Angaben des Gouverneurs des Bundesstaates Katsina, Aminu Masarithe, wurde kein Lösegeld gezahlt.
Am 17. Februar 2021 drangen bewaffnete Männer in Militäruniformen in das Government Science College in Kagara (Regierungsbezirk Rafi, Bundesstaat Niger) ein und verschleppten 27 Personen, darunter Schüler, Lehrer und deren Familienangehörige.[3] Sie wurden am 27. Februar freigelassen.
Am 26. Februar 2021 wurden etwa 300 Mädchen aus einem staatlichen Internat in der Stadt Jangebe entführt. Lokalen Quellen zufolge verschleppten die Entführer, die auf rund 20 Motorrädern eintrafen, die Mädchen in den Wald.[4] Sie wurden am 2. März freigelassen. Der Gouverneur des Bundesstaates Zamfara, Bello Matawalle, bestritt die Zahlung eines Lösegeldes. Der nigerianische Präsident Buhari gab allerdings zu einem späteren Zeitpunkt zu, dass Regierungen der Bundesstaaten in der Vergangenheit Entführer „mit Geld und Fahrzeugen“ bezahlt hätten; er habe sie aufgefordert, dieses Vorgehen zu überdenken.[5]
Mit dem jüngsten Überfall – der dritten Massenentführung von Schülern innerhalb von drei Monaten – stieg die Gesamtzahl der Entführungsopfer seit Dezember 2020 auf über 600.[6] Staatlichen Behörden zufolge kommt eine dschihadistische Motivation bei diesen Kidnappings nicht als Hauptelement in Betracht. Stattdessen seien die Angriffe auf Schulen im Nordwesten des Landes von „Banditen“ durchgeführt worden – ein Sammelbegriff für Entführer, bewaffnete Räuber, Viehdiebe, Fulani-Hirten und bewaffnete Milizen –, die hauptsächlich nach finanziellem Gewinn strebten.[7] Manche Beobachter merken in diesem Zusammenhang jedoch an, dass die Eskalation der Massenentführungen eine Zusammenarbeit zwischen Boko Haram und militanten Fulani nahelege und es bei den Angriffen durchaus eine wichtige religiöse Komponente gebe.[8] Der Sultan von Sokoto sagte hierzu: „Machen wir uns keine Illusionen: Die Entführung ist ein klassisches Beispiel für das philosophische Fundament von Boko Haram – dass nämlich westliche Bildung verboten gehört. Deshalb haben sie es immer auf Internate abgesehen, vor allem auf naturwissenschaftliche Schulen, deren Pädagogik als atheistisch gilt.“[9]
QUELLEN
[1] “Nigeria’s Katsina school abduction: Boko Haram says it took the students”, BBC News, 15th December 2020; https://www.bbc.com/news/world-africa-55295701
[2] "Nigeria school abduction: Hundreds of girls released by gunmen", BBC News, 3. März 2021; https://www.bbc.com/news/world-africa-56249626
[3] "Gunmen Attack School, Abduct Students, Others In Niger", Live TV News, 17. Februar 2021; https://www.channelstv.com/2021/02/17/gunmen-attack-niger-school-kill-one-student-abduct-others/
[4] "Hundreds of schoolgirls abducted in Nigeria, government official says", CNN, 17. Februar 2021, https://edition.cnn.com/2021/02/26/africa/schoolgirls-abducted-nigeria-intl/index.html
[5] "Nigeria school abduction: Hundreds of girls released by gunmen" op., cit.
[6] "Nigeria's school abductions: Why children are being targeted", BBC News, 2. März 2021; https://www.bbc.com/news/world-africa-56212645
[7] Ibid.
[8] "More Nigerian Schoolgirls Kidnapped while a Christian Pastor Pleads for His Life", Family Research Council, 1. März 2021, https://frcblog.com/2021/03/more-nigerian-schoolgirls-kidnapped-while-christian-pastor-pleads-his-life/
[9] Ibid.